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Über den Wolken, durch die Wolken, unter den Wolken

Kaputte Fernbedienung in Gesundbrunnen

Die Straße und ich

Fahren im Wörterbuch

Seite mit Kunst

"...oder lass mich mit ihnen zieh'n!" - Migranten ante portas

Unterwegs auf Neufundland

Mit dem Einkaufswagen unterwegs

Einen fahren lassen



Die Straße und ich
von Hendrik Schwalb

Am Anfang war das Gefühl, einfach mal raus zu müssen. Einfach weg. Das war aber nicht so einfach: nur mit Fahrrad, eventuell Rucksack und Zelt; und dann .... ?

Die südhessische Vorstadt, in der ich aufwuchs hatte vor allem einen Vorteil: einen direkten Autobahnanschluss. Ich ahnte schon sehr früh, dass dies der einzige Weg raus sein könnte. Raus aus der Schlafstadt nahe Frankfurt, weg von allem, was mich ärgerte, behinderte oder sonst wie auf die Nerven ging.

Da war eigentlich nur ein Problem: kein Auto, kein Führerschein. Der Führerschein wurde, wie es die Sitte vorsah, sofort zum 18. Geburtstag gemacht. Keine Frage. Das musste sein. Damals ging ich noch zur Schule; und habe in meiner Klasse gleich nach bestandener Prüfung erst mal einen ausgegeben. Kakaomilch. War in dieser Schule so üblich, weil lecker. Alkohol wurde später noch genug getrunken; auch beim Fahren.

Ein Auto war schnell gefunden, und wurde ausführlich benutzt. Sehr häufig mit Musik im Kreis gefahren. Zwar im großen Kreis, aber im Kreis. Zu Hause anfangen, dann nach Frankfurt, in die große böse Stadt, dort auf dem Innenstadtring gekreist, mehr Musik gehört, und irgendwann Richtung Heimat eingeschwenkt.

Dann auch die langen Touren. Irgendwohin. Fahren, fahren, fahren auf der Autobahn. Es machte Spaß. Sogar die Anstrengung. Die Müdigkeit. Die Monotonie.
Eine ganz andere Art, zu leben, zu existieren. Die Straße ist endlos, nur den Tank muss man gelegentlich wiederauffüllen.

Im Visier

So wäre es wohl immer weiter gegangen. Aber irgendwann entschied ich mich, wo anders hin zu fahren. Endgültig. Nach Berlin. Langer Umzug. Hin- und Herfahren. Die Autobahn wurde immer langweiliger. Einmal bin ich fast eingeschlafen beim Fahren. Zum Glück habe ich doch noch einen Parkplatz gefunden, auf dem ich erst mal drei Stunden geschlafen habe.

Sekundenschlaf beim Fahren ist eine der Hauptunfallursachen auf der Autobahn.

In der Nacht. Und da fuhr ich häufig, weil dann Autobahn so schön leer.

In Berlin ist Fahren stressig. Fast alle fahren wie die Schweine. Ein Jahr lang gehörte ich sogar zu den Ober-Stress-Machern. Ich war Kurier. Mit dem Auto. Mit dem Fahrrad wäre ich eventuell sogar fit geworden. Mit dem Auto wurde ich zum kaffeesüchtigen, ständig genervten Stressmonster. Immer auf Termin, immer zu spät dran. Nach einem Jahr war ich fertig. Und pleite, denn Geld hatte die ganze Maloche trotz zeitweise 12 Stunden täglich am Steuer nicht gebracht.

Ich kündigte, verkaufte mein Auto, und benutzte seitdem Fahrrad und BVG. Nur bei Fahrten zu meinen Eltern oder bei Umzügen fahre ich noch Auto. Damit bin ich zufrieden. Nur manchmal habe ich Sehnsucht nach den Zeiten mit lauter Musik im Autoradio, den Ellenbogen lässig aus dem Fenster. Die Straße vor Augen. Gelebte Dekadenz.

Aber Berlin ist dafür nicht geeignet. Zu viel Stress, zu eng hier. Dann doch lieber fit auf dem Rad oder träge in Bus und Bahn.

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