Ausgabe 5 / 08 Archiv Impressum Heim von RX5
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"Bitte sehr, einmal"

Gestrandet oder
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"Bitte sehr, einmal"
von Arkady Bergman


Quelle: Holger Lange

"Bitte sehr, einmal." krächzte heiser der Kontrolleur, während er dem jungen Herrn vor mir ein Billet reichte. Das weiße Billet aus festem Papier war farbig bedruckt, es stand in einer blauen Schrift "Eintrittskarte" darauf, mit blauen Wellen darunter. Rote in der Waagerechten geschwungene Linien und viele kleine Punkte stellten einen Sandstrand dar, ein Seestern und eine Muschel waren auch dabei. Der Kontrolleur war mit einer dunkelblauen Kontrolleursuniform bekleidet, welche mit weißen Streifen an Kragen und Ärmeln besetzt war, derart, dass man ihn aus der Ferne für einen Schutzmann hätte halten können. Anstelle einer passenden Kontrolleursschirmmütze trug er jedoch eine weiße mit roten Punkten bedruckte Latexbadehaube, die er über seinen Ohren auf die Weise umgestülpt hatte, dass die unteren Badekappenenden, mit denen eine solche Haube für gewöhnlich unter dem Kinn befestigt wird, damit sich diese beim Schwimmen und Tauchen nicht vom Haupt des Trägers löst, nun nach oben abstanden. Dies verlieh dem Kontrolleur einen verwegenen Ausdruck, der entfernt an einen geschwinden Motorradfahrer hätte erinnern können. Doch tat er das nur, weil er so besser hören konnte.

"Drei Karten bitte."

Aus einem schwarzledernen Etui, das der Kontrolleur mittels eines Gurts um seinen Leib geschnallt hatte und auf diese Art auf seinem rundlichen Bauch vorneweg herumtrug, zog er die bereits erwähnten Billets, die er den Badegästen überreichte, die sich brav einer nach dem anderen in einer Reihe vor ihm aufgestellt hatten.

"Bitte sehr."

"Was bekommen Sie?" fragte ich, erhielt zu meiner Überraschung jedoch die Antwort:
"Nichts. Der Eintritt ist frei."

Da wir soeben erst Auge in Auge mit dem Kontrolleur da standen, denn wir hatten uns ordentlich angestellt, musste wohl dieser kleine aber nichtsdestotrotz bedeutende Umstand des Badestrandbesuchs unserer Aufmerksamkeit entgangen sein. Ich fragte aus Neugier: "Wenn der Eintritt frei ist, warum verkaufen Sie dann Eintrittskarten?" Die Frage war absolut berechtigt, war doch der Strandzugang keineswegs durch Zäune, Hecken oder dergleichen eingeschränkt. Weder befand sich der Strand auf einer Insel, zu der eine einzige Brücke führte, noch lag er am Fuße eines Steilhanges und konnte nur über eine schmale Serpentine erreicht werden. Tatsächlich lag der Posten des Kontrolleurs lediglich an dem einzig erkennbaren Pfad, der die Wiese durchschnitt, welche vor dem Strand ausgebreitet lag.

Der Kontrolleur korrigierte mich: "Ich verkaufe sie ja nicht direkt. Der Eintritt kostet ja nichts." Und wer, dachte ich in mich hinein, wer würde unter den geschilderten Umständen zum faktischen Kauf einer Eintrittskarte sich bereit erklären? Ich fragte also den Kontrolleur: "Aber warum stehen Sie dann hier und verteilen die Eintrittskarten?"

"Weil jeder, der an den Strand möchte, eine Eintrittskarte braucht."

"Und wozu braucht jeder eine Eintrittskarte?"

"Sonst käme er wohl nicht herein."

"Aber wenn der Eintritt doch eh nichts kostet?"

"Eintritt ist Eintritt."

Die Diskussion geriet für den Augenblick ins Stocken. Wir entschlossen uns daher, für diesen Tag drei Eintrittskarten anzunehmen, um den bereits angebrochenen Nachmittag wie vorgesehen zum Sonnetanken nutzen zu können. Noch am Strand planten wir für den Folgetag einen Versuch, mit dem wir die Geltung unserer grundsätzlichen Annahme eines prinzipiell freien Strandzugangs praktisch überprüfen wollten.

Da wir zu dritt waren, schlichen wir uns am nächsten Morgen von drei Ausgangspunkten gleichzeitig an den Strand heran. Diese Punkte waren von uns so gewählt, dass sie sich außerhalb des vermuteten Aktionsradius des Kontrolleurs befanden, in einem Fall sogar außerhalb seines Sichtfeldes. Aber dies geschah keineswegs aus Gründen des Verbergens, denn es erschien uns unerheblich, ob uns der Kontrolleur beobachtete oder nicht. Wir mussten lediglich den Strand betreten, ohne vorher eine Eintrittskarte zu lösen.

Ich selbst näherte mich dem Strand aus nordöstlicher Richtung an einer Stelle, von der ich das Kontrolleurskabäuschen im morgentlichen Licht sehr gut erkennen konnte. Offenbar hatte der Kontrolleur seinen Dienst noch nicht angetreten. Ungehindert schritt ich beinahe feierlich über die Wiese zum Strand und überwand ebenso mühelos die nahezu eingebnete Grenze, die beide voneinander trennte. Diese erschien durch den niedergetretenen Bewuchs und den von Füßen aufgewühlten Sand, der nicht selten auch im Gras zu finden war, ausgefranst. Offenbar waren wir nicht die ersten Besucher, die den Kontrolleur umgingen.

In der Frühe hatten sich außer uns nur wenige Badegäste am Strand eingefunden, so dass keiner von uns dreien Schwierigkeiten hatte, die anderen schon von Weitem zu sehen. Schließlich trafen wir uns dort, wo wir am Vortag in der Sonne gelegen und unseren Plan geschmiedet hatten.

Wir blickten uns um. Der Kontrolleur hatte inzwischen seinen Posten bezogen, erkannte uns offenbar, und winkte uns recht freundlich zu.

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