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Wie man in den Wald hinein schweigt

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Wie man in den Wald hinein schweigt
von Marco Walkewitz

Winnenden. Ein neuer trauriger Eintrag in der Geschichte völlig sinnloser Tode unbeteiligter Personen. Und wieder einmal diskutieren alle am Thema vorbei. Wer oder was war also schuld? Menschen die aufmerksam die Medien verfolgen, wussten die Antwort auf diese Frage natürlich schon vor der Tat. Es müssen entweder die „Killerspiele“ gewesen sein oder die unzureichenden Waffengesetze oder natürlich beides. Ja, die Antwort kann so einfach sein! Alle anderen Antworten und Fragen würden eine indirekte Beteiligung bzw. Schuld einschließen und sind damit natürlich von vorn herein ausgeschlossen, denn sie sind sehr unbequem.
Da wäre zum Beispiel die Frage, ob der Amokläufer seine Tat im Internet via Chat angekündigt hat oder nicht. Ich glaube nicht das diese Tatsache einen großen Unterschied machen würde. Der Täter wird als ruhig, unauffälliger Typ X (mit psychischen Problemen) beschrieben. Die meisten Opfer waren weiblichen Geschlechts, aber daraus lassen sich natürlich keine Schlüsse ableiten. Also was hat den laut Medienberichten mit 17 Jahren noch als „Junge“ eingestuften Mann zu einer solchen Tat getrieben?

Das wusste er wahrscheinlich nicht einmal selbst, aber hier sind ein paar Ansätze: Der Amokläufer war ein sehr einsamer Mensch. Jemand als stillen unauffälligen Jungen zu bezeichnen, bedeutet nur eines, er war einsam, ist allen aus dem Weg gegangen und niemanden hat es gestört. Als Mitglied einer zunehmend abstumpfenden und zynischer werdenden Gesellschaft oder „Kultur“ gibt es verschiedene Gesellschaftsregeln zu beachten:

1. Sei ein Star (egal wie!) oder sei ein Niemand.
2. Sei cool. Verständnis? Mitgefühl? Nein! Wer cool sein will, zeigt (hat!) keine Gefühle, denn die sind etwas für Schwache und Kleingeister.
3. Das Recht des Stärkeren. Wenn du ein „Problem“ losen willst, gibt es nur einen Weg –
Gewalt, alles andere ist für Mädchen oder Intellektuelle.
4. Je größer und spektakulärer die Tat, umso mehr Medienrummel ist garantiert.
5. Schuld sind immer die Anderen. Deshalb schreien jetzt auch wieder alle nach strikteren Waffengesetzen und „Killerspiele“-Verboten. Doch wie sagte J.F. Kennedy einst: „Frage nicht was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst!“. Geht mehr auf einander ein, hört auf Mauern egal welcher Art zu bauen und verhaltet euch endlich wie Lebewesen EINER Gattung!


Denn eigentlich läuft immer nach dem selben Schema ab, sowohl Tat als auch „Verarbeitung“. Der Täter war also still und „normal“, aber er hatte einen Computer mit „Killerspielen“ darauf. Welcher Jugendliche oder Erwachsene hat die nicht auf seinem PC? Was sagt das also aus?

Eigentlich nicht viel. Denn das Jugendliche Computer spielen ist nichts neues und die immer noch expandierende Softwarebranche hat dies längst erkannt, und die Jugend zu ihrer Hauptzielgruppe erklärt. Wenn unser Täter so „normal“ war, dann hatte er doch bestimmt auch andere Hobbys außer dem Schützenverein seines Vaters, z.B. Musik, Kunst oder Sport? Dies ist allerdings schwer zu sagen, so tief sind unsere investigativen Medienhelfer noch nicht vorgedrungen. Probleme mit dem weiblichen Geschlecht? Mit 17? Nein, auf keinen Fall, da spielen zwar die Hormone verrückt, aber damit muss unser Junge dann allein klarkommen. Freunde? Naja, da gibt es ja diese beiden Jungen, die seine Ankündigung im Chatroom gelesen haben wollen, dass müssen dann schon wirklich enge Freude gewesen sein, wenn sie solch private Gedanken mit ihm teilen durften. Und schließlich die Schule, der Ort der Tat. Eine ganz normale Schule: also überlastete Lehrer, aggressive Mitschüler, 15-jährige Mädchen im Britney-Spears-Look und die ganz normale Ignoranz und Intoleranz, natürlich alles im Rahmen gesellschaftlich vermittelter Werte und Verhaltensgrundregeln?

Wir müssen aufwachen!! Der Besitz und das Anhäufen von Geld und Macht sind das Gebot der Stunde und je rücksichtsloser ich meine eigenen Interessen vertrete, umso mehr werde ich zu einem vollwertigen Mitglied dieser Gesellschaft.
Was ist aus Freundschaft, Mitgefühl, Liebe und Verständnis geworden? Nichts, denn so etwas verkauft sich nicht. Verständnis heucheln und Probleme auf andere schieben wird auch in Zukunft keine Amokläufe verhindern. Das können wir nur, in dem wir uns alle an die eigene Nase fassen und wieder beginnen, unser Umfeld wahr zu nehmen und uns dafür zu interessieren. Ein altes Sprichwort besagt: Der Mann der den Berg abtrug, war derselbe der anfing, kleine Steine wegzutragen. Es wird Zeit unsere eigenen geistigen und sozialen Vor- und Hintergärten zu „entsteinen“, je eher desto besser. Sonst haben wir uns als freie, menschliche Gesellschaft selbst aufgegeben und das ist keine Option, die ich zu akzeptieren bereit bin.

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